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Hamadeh-Spaniol: “Wie Nico Rosberg”

Tarek Hamadeh-Spaniol gewann 2023 die DRM Nationals. Im Interview blickt der Saarländer auf seine Saison zurück, spricht über seine Pläne für die kommende Saison und warum der Citroën-Pilot sich nach dem Titelgewinn kurz wie Nico Rosberg gefühlt hat.

Wie hast du den Titelgewinn erlebt?
“Mir ist wirklich ein Stein vom Herzen gefallen, als mir klar war: Jetzt hast du es endlich gepackt. Ich bin 2019 im ADAC Rallye Masters Gesamtdritter geworden, 2020 war ich dort Vizechampion und 2022 – im ersten Jahr der Nachfolgeserie DRM Nationals – dann Vierter. Wenn man schon so nah dran war und es endlich geschafft hat, fällt einem schon eine kleine Last von den Schultern. Der Titelgewinn war echt mega. Man hat lange darauf hingearbeitet und dann hat es wirklich geklappt.”

Wie bist du das Saisonfinale in Stemwede angegangen? Warst du nervös oder war es wie jede andere Rallye auch?
“Ich glaube, es war gut, dass ich inzwischen ein wenig Erfahrung habe. Das hilft dir in solchen Momenten. Du machst dir vorher schon Gedanken, ob du eher Vollgas fährst oder auf das Material achtest. Wir sind in die Stemweder Berg gestartet, ohne auf die Meisterschaft zu achten und sind unseren Stiefel heruntergefahren. In unserer Klasse waren mehr Autos am Start als bei den meisten Rallyes vorher, daher konnten wir nicht bummeln, denn sonst wären wir als Fünfte oder Sechste angekommen und hätten nicht genügend Punkte geholt. Erst als wir am Ende der Rallye die Klasse anführten und nach hinten genügend Vorsprung hatten, haben wir Tempo rausgenommen und nur noch versucht, das Auto ins Ziel zu bringen.”

Wann war dir klar, dass es mit dem Titelgewinn klappen kann?
“Man versucht das auszublenden. Denn im Rallyesport hat man das Ergebnis nicht immer selbst in der Hand, da die Technik auch einen Einfluss haben kann. Ich bin schon 500 Meter nach dem Start ausgefallen, aber auch 50 Meter vor dem Ziel. Das hatte ich immer im Hinterkopf. Aber auf der letzten WP war mir dann klar, jetzt musst du das Auto nur noch heimbringen und dann passt es. Nach dem Ziel ging dann alles sehr schnell. Wir mussten alles zusammenpacken, dann kam die Siegerehrung. Erst auf der Heimfahrt hatte man Zeit, den Titelgewinn richtig sacken zu lassen. Das war dann der Moment, wo mir wirklich klar war, dass wir es geschafft haben. Ich habe nie verstanden, warum Nico Rosberg nach seinem Formel-1-Titelgewinn aufgehört hat. Für einen kleinen Moment habe ich es dann nachvollziehen können, denn der Titelgewinn war das Maximum, das ich erreichen konnte. Aber mir war schnell klar, dass ich Rallye nicht wegen der Titel fahre, sondern einfach, weil es unheimlich viel Spaß macht und ich auch gerne mit den ganzen Leuten zusammen bin. Das ist einfach ein unheimlich tolles Gesamtpaket.”

Wenn du auf die DRM-Läufe zurück blickst, wie hast du sie erlebt?
“Das Jahr fing mit der Erzgebirge schon gut an, dort habe ich bei meinem dritten Start nach 2019 und 2022 den dritten Klassensieg eingefahren. Und auch bei den anderen Rallyes lief es fast immer nahezu problemlos. Nur die Mittelrhein war etwas schwieriger. Dort hat das Set-up nicht wirklich gepasst. Wir sind das erste Mal auf der Hinterachse eine andere Reifengröße gefahren, wodurch das Auto hinten etwas höher stand und beim Anbremsen sehr unruhig wurde. Im Lauf der Rallye konnten wir das etwas minimieren, aber ich musste unheimlich für ein gutes Ergebnis kämpfen. Die letzte WP bei Klüsserath war die verrückteste, die ich je gefahren bin. Der Frust hat richtig tief gesessen und als dann auch noch der Viertplatzierte von hinten anklopfte, wollte ich mich nicht auch noch vom Podium stoßen lassen. Ich bin dann viele Kurven auf Anschlag quer gefahren, das war wirklich ein bisschen Harakiri. Eigentlich war das völlig bescheuert, denn wenn ich abgeflogen wäre, hätte ich gar keine Punkte geholt. Normalerweise fahre ich so überhaupt nicht. Aber ansonsten hatte ich über die ganze Saison keine technischen Probleme, es lief wirklich alles wie am Schnürchen.”

Wie wichtig war es für dich, bei deinem DRM-Heimspiel, der Saarland-Pfalz-Rallye, den Klassensieg zu holen?
“Zuhause zu gewinnen ist immer etwas Besonderes. Bei der Saarland-Pfalz ist es auch immer sehr eng. Meistens ist dort Marco Thomas am Start, der auch einen Citroën C2 fährt und ein Wahnsinns-Talent hat. Und auch Fabian Schulze, der das ganze Jahr über ultra schnell war, hat an der Spitze mitgekämpft. Leider ist erst Marco rausgerutscht und später hat es auch Fabian erwischt. Ich hatte vorher noch zu Fabian gesagt, wenn wir so weitermachen, landet einer von uns neben der Strecke. Leider hat es ihn dann erwischt. Fahrerisch war unser Kampf dort echt cool und sicher ein Saisonhighlight.”

Wie hoch ist der Anteil deiner Beifahrer Ann-Kathrin Mergen und Henry Wichura am Titelgewinn?
“Er beträgt 50 Prozent. Ohne Beifahrer bist du eigentlich verloren. Wenn auf einer Prüfung wie der ‚Dhrontal‘ in den Weinbergen bei der Rallye Mittelrhein das Zusammenspiel mit dem Beifahrer nicht funktioniert, verlierst du nicht eine oder zwei Sekunden, sondern zehn, 15 oder 20 Sekunden. Oder auch im Dunkeln, wenn ich die Strecke nicht gut kenne, vertraue ich zu 100 Prozent den Ansagen der Stimme rechts. Wir sitzen zu zweit im Auto, daher ist der Anteil fifty-fifty. Mit Ann-Kathrin fahre ich schon lange zusammen, wir haben uns bereits 2014 das erste Mal ein Auto geteilt. Mit ihr fahre ich die Rallyes in meiner Heimatregion wie die Saarland-Pfalz und die Mittelrhein, weil es vom Aufwand und Urlaub her am einfachsten ist. Mit Henry starte ich bei den anderen DRM-Läufen. Das haben wir so aufgeteilt und es klappt mit beiden super.”

Ein kurzer Blick zur Seite, abseits vom Rallyesport. 2023 war für dich auch aus einem anderen Grund ein besonderes Jahr: Du hast ein Unternehmen gegründet …
“Genau. Zusammen mit drei anderen Mitgründern haben wir vor knapp einem Jahr das Start-up ‘Effinigo’ gegründet. Es ist am Gründercampus der Universität des Saarlandes in Saarbrücken angegliedert. Wir haben eine adaptive Beleuchtungssteuerung entwickelt, die den Energieverbrauch von Nichtwohngebäuden wie Büros, Schulen oder Kitas verringern soll. Wir haben bei uns in der Region angefangen und rüsten jetzt aber auch schon Gebäude in anderen Bundesländern aus.”

Zurück zum Rallyesport. Du startest mit deinem Citroën seit 2018. Inwieweit hat sich das Auto in diesen Jahren verändert?
“Ein großer Umbau hat im Winter 2018/19 stattgefunden. Ich habe das Auto Ende 2017 in Polen gekauft. Das Auto war gerade frisch zum Rallyeauto umgebaut worden. Es war von der Karosse, der Zelle her ein Traum. Auch das Fahrwerk war top und der Motor gut. Es hatte richtig Potenzial. Aber der Rest war kaum für’s Rallyefahren geeignet. So war zum Beispiel das Getriebe aus der Serie. Das haben wir dann auch in der Saison gemerkt, denn ständig ist was kaputt gegangen. Wir haben den C2 dann auf den Challenge-Stand umgebaut, also so, wie er in Frankreich im Cup gefahren wurde. Seitdem funktioniert er wie ein Uhrwerk. Über die Jahre entdeckt man dann immer wieder mal kleine Wehwehchen, bei denen man aufpassen muss. Man achtet dann zum Beispiel darauf, bestimmte Teile rechtzeitig zu tauschen. Wenn dies berücksichtigt wird, kann man eine Saison ohne technischen Defekt durchfahren.”

Wie viel PS hat der kleine Franzose eigentlich?
“Das werde ich oft gefragt. Ich hatte ihn einmal auf der Rolle, da waren es knapp 146 PS. Ich habe seitdem noch mal etwas an der Software gemacht. Das dürfte aber nicht viel ausgemacht haben. Rund 150 PS werden es wohl aktuell sein.”

Bist du eigentlich schon einmal ein stärkeres Rallyeauto gefahren?
“Außer auf der PlayStation bei DiRT Rally bisher noch nicht.”

Du machst an deinem Citroën inzwischen nahezu alles selbst oder?
“Mittlerweile eigentlich ja. Es gibt ein paar Ausnahmen. Ich schicke Fahrwerksteile zum Revidieren oder Motorteile zum Vermessen und Planen. Aber ich baue danach dann alles selbst wieder zusammen und bereite das Auto auch selbst für die neue Saison vor.”

Gibt es eine WP, die du von ihrer Charakteristik besonders magst?
“Das kann ich gar nicht pauschal sagen. Es gibt WPs mit vielen engen Kurven wie das IVG-Gelände in Sulingen, die finde ich mega. Die machen wirklich Spaß.
Und dann gibt es auch WPs, die lange, schnelle Kurven haben, die echt klasse sind. Auch eine Prüfung wie ‘Schnathorst’ bei der Stemweder Berg, wo man durch enge Siedlungen fährt, ist super. Ich mag aber auch so etwas wie die ‘Haupersweiler” bei uns im Saarland gerne, da sie einen Schotteranteil hat. Eine Traum-WP hätte am besten von allem etwas drin.”

Und welches ist deine Lieblingsrallye?
“Sicher die Mittelrhein. Vom Ambiente und den Prüfungen in den Weinbergen der Mosel her, das ist echt toll. Schon das Recce vor der Rallye macht dort unheimlich viel Spaß. Sie ist sicher das Highlight in der Saison. Aber die anderen Rallyes haben auch ihre Besonderheiten. Sulingen fahre ich zum Beispiel auch immer gerne. Natürlich wegen des IVG-Geländes, aber ich finde auch die anderen Prüfungen ganz cool. Viele finden sie ja nicht so spannend, aber ich mag es, wenn man auch mal vom fünften Gang in den ersten runterbremsen muss. Die Saarland-Pfalz hat immer tolle WPs, wo es immer auch
Schotterpassagen gibt. Die Erzgebirge ist auch geil, dort muss man jedoch auf die Schlaglöcher achten. Es ist immer etwas eine Lotterie, ob man ohne Plattfuss durchkommt oder nicht. Insgesamt ist der DRM-Kalender ganz gut aufgestellt.”

Mit der Ostsee-Rallye gibt es für die DRM Nationals 2024 einen neuen Lauf. Sie war zuletzt ein Lauf des DRC und bereits 2014 und 2015 im DRM-Kalender. Was erwartest du von der Rallye?
“Wie ich gehört habe, wird dabei auch auf dem Truppenübungsplatz Putlos gefahren. Ich bin 2020 dort bei der Holsten-Rallye gefahren. Das Panorama direkt an der Ostsee ist einmalig und auch die Prüfungen waren ganz gut. Der hohe Schotteranteil hat mir auch gefallen. Die Ostsee-Rallye ist eine gute Ergänzung des Kalenders.”

Apropos 2024: Du hast es bereits anklingen lassen: Deinem Citroën bleibst du treu? Oder kann da noch was passieren in irgendeine andere Richtung?
“Wenn irgendjemand ums Eck kommt und sagt: ‘Wir fahren jetzt Rally4’, dann bin ich direkt dabei. Aber das ist kaum realisierbar. Du musst ja gucken, so ein Auto immer auf Vordermann zu bringen, dass du immer die Teile rechtzeitig tauschst, bevor sie kaputt gehen. Wenn, dann würde ich so etwas nur richtig machen. Es bringt nichts, sich so ein teures Auto zu kaufen und dann an irgendwelchen Teilen zu sparen. Mein Auto schluckt jetzt schon echt viel Geld. Beim Rally4 kostet ein Querlenker nicht 200 Euro wie bei meinem C2, sondern 1.200 Euro. Solange es keine komplette Finanzierung für einen Rally4 gibt, bleibe ich bei meinem Citroën. Du kannst damit bei den DRM Nationals tollen Sport haben. Es könnten vielleicht noch ein paar Starter mehr sein, aber das Niveau an der Spitze unserer Klasse hat sich in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Man muss ans Limit gehen, um ganz vorne mitzukämpfen und das macht schon viel Spaß. Natürlich würde ich gerne aufsteigen, aber dafür fehlt das Budget.”

Text und Fotos: Lars Krone/Power Stage Images