DRMMagazin

Philip Geipel: „Nie mit einem so starken Auftakt gerechnet“

Mit den Siegen im Erzgebirge und in Sulingen starteten Philip Geipel und Katrin Becker-Brugger perfekt in die diesjährige Deutsche Rallye-Meisterschaft (DRM). Im Interview erklärt der ehemalige ADAC-GT-Masters-Rennsieger, warum es derzeit so gut läuft, was er an seinem Team und seiner Beifahrerin schätzt und ob sich seine Saisonziele geändert haben.

Herzlichen Glückwunsch zum starken Saisonbeginn. Hast du damit gerechnet, dass es so gut laufen wird?
Philip Geipel: „Wir hatten bei unserer Vorbereitungsrallye in Tiefenbach mit Platz zwei schon einen guten Saisonstart. Allerdings konnte man dort noch nicht so wirklich einschätzen, was das Ergebnis wert ist, da wir wegen der aktuellen Lieferschwierigkeiten mit gebrauchten Reifen gefahren sind. Aber das wir dann bei der ‚Erze‘ von der ersten Prüfung an vorn dabei waren, das war für alle überraschend. Und dass wir am Ende die Rallye auf dem Sachsenring noch zu unseren Gunsten drehen konnten, war phänomenal. Dass wir jetzt in Sulingen das Ergebnis noch mal bestätigen konnten, das hätte ich nie für möglich gehalten. Das war wirklich etwas Besonderes.“

Warum läuft es gerade so erfolgreich?
„Wenn man sich wohl fühlt, dann geht vieles einfach lockerer und einfacher. Und das ist gerade einfach der Fall. Die Harmonie zwischen Kattl und mir, was Ansagen und Timing betrifft, ist perfekt. Sie war schon vorher sehr gut, aber wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, wo es kaum noch besser sein kann. Unser Team Speedlife Motorsport macht wie schon seit unserer ersten gemeinsamen Rallye 2020 einen starken Job. Und mit der Anschaffung eines nagelneuen Škoda Fabia Rally2 evo über den Winter wurde der Grundstein für den Erfolg gelegt.“

Was macht Speedlife so gut?
„Motorsport ist ein Teamsport. Leider steht immer nur der Fahrer im Vordergrund, aber ohne ein Team oder einen Beifahrer, die einen fehlerfreien Job machen, hat man einfach keine Erfolge. Ich tausche mich intensiv mit Teamchef Maximilian Koch aus. Wir beraten zusammen, welche Reifen wir fahren sollen, schauen uns die Onboards vom Recce an oder überlegen, welches Set-up wir fahren. Wir bündeln das Know-how aus zwei Welten. Ich bringe meinen Rundstreckenbackground mit, er seine Rallyeerfahrung.“

Wenn du auf die beiden Siege zurückblickst, was waren dabei die besonderen Herausforderungen?
„Bei der Erzgebirge war man wegen des Heimspiels natürlich extra motiviert, hatte aber natürlich auch deutlich mehr Druck, da man zuhause zeigen will, was man kann. In Sulingen war es für mich das erste Mal, dass ich mit der Startnummer 1 gefahren bin und als erster auf die Prüfungen musste. Das war nach meiner kurzen Zeit im Rallyesport etwas Besonderes. Aber diesen Druck habe ich dann relativ schnell ablegen können, da ich gesagt habe, dass ich einfach mein Ding fahre. Wenn ich Vierter bin, dann bin ich halt Vierter. Wenn ich weiter vorn liege, ist es natürlich noch besser. Aber für mich war das Ergebnis erstmal egal. Wichtig war, dass ich meinen Rhythmus finde und ich es genießen kann. Und das hat funktioniert – von der ersten bis zur letzten Prüfung. In Sulingen kam noch das IVG-Gelände hinzu. Dort mit Slicks am Start zu stehen, als die Himmelschleusen aufgingen, und dann auf der WP mit stehendem Wasser und Aquaplaning zu kämpfen, war schon sehr speziell. Dass es so gut lief, habe ich ein bisschen meinen Anfangstagen im Motorsport zu verdanken. Mein Mechaniker Detlef Bott hat mich damals im Kart im Freien Training im Regen immer mit Slicks auf die Strecke geschickt. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar, denn ich habe dabei sehr viel gelernt.“

Du startest in diesem Jahr erstmals eine komplette Saison im Fabia Rallye2 evo. Was kann das Auto besser als der Vorgänger?
„Ich bin 2019 das erste Mal mit dem Fabia evo gefahren. Da war das Auto noch ein kleiner Rückschritt gegenüber der älteren Version, da es einfach noch nicht so ausgereift war und man mit einem vom Spec älteren Fabia noch schneller war. Das hat sich dann zur Saison 2021 dank diverser Updates komplett gedreht. Jetzt ist das neue Auto auf einem Kilometer wirklich spürbar schneller. Das Ansprechverhalten, die Elastizität vom Motor, die Bremsen, das Fahrwerk und und und. In der Summe ist alles ein enormer Schritt.“

Du bist erst 2019 in den Rallyesport umgestiegen und bestreitest eigentlich erst deine dritte komplette Saison, denn wegen der Corona-Krise bist du 2020 nur zwei Rallyes gefahren. Wie schätzt du dich jetzt ein? Wo hast du noch Potenzial?
„Man lernt natürlich nie aus. Ich habe zum Beispiel von der Erzgebirge zur Sulingen wieder was mitgenommen: Zum Beispiel, wie man sein Fahrzeug positioniert. Das ist doch etwas ganz anderes als auf der Rundstrecke. Ich bin, was Schotter und losen Untergrund angeht, immer noch vom Maximum weg. Da ist immer noch Luft nach oben. Wenn ich das optimiert bekomme, ist sicherlich hier und da noch ein Zehntel drin.“

Was sind oder waren die größten Herausforderungen beim Wechsel von der Rundstrecke?
„Die wechselnden Streckenbedingungen. Man kann nicht wie auf der Rundstrecke auf mehreren Runden ausloten, wie man eine Kurve fahren kann. Das Abschätzen von Geschwindigkeiten, die Winkel mit denen man eine Kurve anfährt, aber auch, den Aufschrieb zu verstehen: Was verbirgt sich hinter welcher Ansage. Das ist ein ständiger Lernprozess.“

Auf welche der noch ausstehenden DRM-Läufe freust du dich am meisten?
„Ich freue mich eigentlich auf alle Rallyes, die noch kommen. Wir haben gerade so ein tolles Gefühl im Auto, es läuft einfach perfekt, daher freue mich auf jede Veranstaltung. Die größte Herausforderung wird sicher die neue Rallye Mittelrhein Anfang Juli mit den Wertungsprüfungen an der Mosel und in den Weinbergen. Diese sind für mich komplett Neuland, während die anderen Konkurrenten wie Marijan Griebel, Julius Tannert oder Dominik Dinkel dort schon bei der ADAC Rallye Deutschland gefahren sind. Ich bin gespannt, wo wir dort stehen werden. Ich mache mir dort keine Hoffnungen auf einen Top-3-Platz. Da braucht man Erfahrung, aber wir versuchen gut mitzukommen.“

Haben sich nach dem starken Auftakt deine Saisonziele geändert?
„Unser Ziel war es, die deutsche Rallyeelite zu ärgern. Die DRM war schon lange nicht mehr so stark besetzt. Wir fahren gegen das Who is Who des deutschen Rallyesports mit Europameistern, Fahrern mit WRC-Erfahrung und aktuellen oder ehemaligen Werksfahrern. Wir wollten Ausrufezeichen setzen und das ist uns schon in fett, kursiv und unterstrichen gelungen. Das ist ein tolles Gefühl. Daran wollen wir anknüpfen und weiter zeigen, dass wir an der Spitze der Deutschen Rallye-Meisterschaft mitfahren können.“

Eine andere Erfolgsgeschichte in der diesjährigen DRM-Saison ist die neue Gentlemen Trophy, deren Initiator du warst. Wie zufrieden bist du mit der neuen Wertung?
„Wir haben zwölf eingeschriebene Fahrzeuge. Das ist wirklich ein Highlight und eine Bereicherung für die Meisterschaft. Ich bin dem ADAC sehr dankbar, dass er dieser Idee so offen gegenüberstand. Dadurch hatten wir zum Saisonauftakt 18 Fahrzeuge in der Topklasse am Start und es ist eine echte Aufwertung für die Meisterschaft, die Rallyes und die Veranstalter und macht es noch attraktiver für die Zuschauer und Fans. Es ist auch schön zu sehen, wie sich die Teilnehmer der Gentlemen Trophy von Rallye zu Rallye steigern und immer besser mit den Autos zurechtkommen. Trotzdem steht der Spaß natürlich im Vordergrund. Es ist toll, wenn man sieht, welche Gemeinschaft dort schon entstanden ist und die Teams abends zum Beispiel zusammen grillen. Ich ziehe den Hut vor allen, die sich auf diese Bühne begeben und sich dieser Herausforderung stellen. Ich freue mich schon auf 2023, denn das Interesse steigt weiter und es gibt schon jetzt neue Anfragen und Interessenten.“

Text: Lars Krone
Fotos: Lars Krone/Power Stage Images