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Blick nach Europa

Belgien, Großbritannien und Co: In zwei Folgen blicken wir auf die wichtigsten nationalen Rallye-Meisterschaften des vergangenen Jahres in Europa zurück.

Finnland: Asunmaa schlägt WRC-Ass
7 Läufe mit 4 verschiedenen Siegern und 843 WP-Kilometern
Reichlich Spannung bot die finnische Meisterschaft: Vor dem Finale trennten die Top Drei der Punktewertung gerade einmal sechs Zähler – 34 wurden noch vergeben. Am Ende ging der Titel zum insgesamt vierten Mal an Teemu Asunmaa, der während der Saison eine Rallye gewann. Titelfavorit Jari Huttunen, ADAC-Opel-Rallye-Cup-Sieger 2016 und WRC3-Champion 2020, musste sich um gerade einmal zwei Zähler geschlagen geben, obwohl er mit drei Siegen der erfolgreichste Pilot war. Dritter wurde Lauri Joona, der Überraschungsfahrer des Jahres: Der 27-Jährige fuhr seine erste Saison in einem Rally2-Auto und reiste nach zwei Saisonsiegen sogar als Tabellenführer zum Finale, wo er jedoch nach einem vierten Rang den Traum vom Titel begraben musste. Der ehemalige Grand-Prix-Sieger und mehrfache japanische Rallyemeister Heikki Kovalainen wurde in seiner Premierensaison in seinem Heimatland Gesamtsechster. 

Teemu Asunmaa (Aufmacher) fliegt zum finnischen Meistertitel, einer der Konkurrenten war Ex-F1-Star Heikki Kovalainen (Fotos: Taneli Niinimäki/AKK)

Belgien: Youngster Potty erstmals vorn
12 Läufe mit 8 verschiedenen Siegern und 1.692 WP-Kilometern
Für 2023 überarbeitete die Belgian Rally Championship (BRC) ihr Kalender-Konzept. Neben sechs Pflichtläufen – die besten fünf Ergebnisse flossen in die Gesamtwertung ein – gab es sechs weitere frei wählbare Rallyes, von denen zwei zusätzlich für die Meisterschaft zählten. Dies führte dazu, dass je nach Lauf die Qualität des Starterfeldes stark schwankte. Den Titel im Nachbarland holte sich zum ersten Mal Citroën-Pilot Maxime Potty, der vor allem in der ersten Saisonhälfte brillierte und bei vier der ersten sechs Rallyes volle Punkte einfuhr. Dennoch wurde es am Ende nochmal eng: Mehrere Nuller des Youngsters und eine starke Aufholjagd von Routinier Cédric Cherain, der nach einer spektakulären Saison im GT3-Porsche mit einem Hyundai wieder in die BRC-Topkategorie zurückkehrte, sorgten für Spannung beim Finale in Spa. Dort fuhr Cherain mit mehr als einer Minute Vorsprung zu seinem dritten Saisonsieg. Doch Platz vier reichte Potty, der sich an seinem 24. Geburtstag zum Meister krönte. Zu den Rallyesiegern zählten unter anderem erstmals Ex-F1-Pilot Jos Verstappen und der viermalige Champion Freddy Loix, der zuletzt 2016 einen BRC-Lauf gewonnen hatte.

Meister in Dänemark: Jacob Madsen/Line Nedergaard im Peugeot 208 Rally4 (Foto: Lars Krone/Power Stage Images)

Dänemark: Bruderkampf um den Titel
5 Läufe mit 3 verschiedenen Siegern und 579 WP-Kilometern
In der Dansk Super Rally werden Punkte nicht nur für das Gesamtergebnis, sondern auch für die Klassenplatzierung vergeben. Dadurch haben auch Fahrer leistungsschwächerer Fahrzeuge Chancen auf die Meisterschaft. Genau dies nutzte zum zweiten Mal nach 2021 Jacob Madsen, der sich ein spannendes Duell mit seinem Bruder und Glad-Sport-Teamkollegen Kenneth lieferte. Während Jacob einen Peugeot 208 Rally4 pilotierte, setzte sein älterer Bruder anfangs auf einen Peugeot 208 R5, später auf einen Citroën C3 Rally2. Die Vorentscheidung zugunsten Jacobs fiel beim letzten Einsatz seines Bruders im Peugeot: Nach mehreren Reifenschäden und einer Zeitstrafe kam der ältere Madsen-Bruder bei der Rallye Aalborg nur auf Gesamtplatz 22 und Klassenplatz acht ins Ziel. Die dort verlorenen Punkte konnte Kenneth trotz insgesamt drei Gesamtsiegen und einem zweiten Platz nicht mehr aufholen. Tabellenrang drei ging an Simon Vallentin im Hyundai Rally2, der vier Mal Zweiter und einmal Dritter wurde, aber sieglos blieb.

Fünf Starts, fünf Siege: Adrien Fourmaux und Alexandre Coria dominierten die britische Meisterschaft (Foto: Motorsport UK)

Großbritannien: Fourmaux dominiert
7 Läufe mit 3 verschiedenen Siegern und 784 WP-Kilometern
Die britische Meisterschaft erlebte 2023 eine ihrer schwächsten Saisons der vergangenen Jahre – trotz der Teilnahme von WRC-Star Adrien Fourmaux. Der Franzose wurde von M-Sport auf den Titel angesetzt, um nach seinem schwierigen WM-Jahr 2022 in Großbritannien neues Selbstbewusstsein und weitere Erfahrung zu sammeln und gleichzeitig die Weiterentwicklung des Ford Fiesta Rally2 voranzutreiben. Und der 28-Jährige erfüllte die Aufgaben mit Bravour. Zusammen mit Co-Pilot Alexandre Coria holte er bei fünf Starts fünf Siege und damit die maximale Ausbeute. Bei zwei Läufen trat Fourmaux nicht an. Hier holten Vizemeister Gary Pearson (VW) und der Tabellenfünfte James Williams (Hyundai) jeweils einen Sieg. Wie dünn besetzt die britische Meisterschaft war, zeigt der weitere Blick auf die Gesamtwertung. Mit den Iren Kyle White und Kyle McBride fuhren Fahrer von Rally4-Fahrzeugen auf die Tabellenränge drei und vier. Teilweise starteten bei den Läufen weniger als fünf eingeschriebene Rally2/R5-Fahrer. Auch bei den Längen der Rallyes besteht Potenzial nach oben: Zwei der sieben Läufe umfassten weniger als 75 WP-Kilometer. Mit dem neuen Seriensponsor Probite hofft die BRC in der bevorstehenden Saison auf eine Renaissance.

Niederlande: Satorius wird Vizemeister
6 Läufe mit 3 verschiedenen Siegern und 921 WP-Kilometern
Nach drei Vizetiteln zwischen 2018 und 2021 krönte sich Kevin van Deijne in der vergangenen Saison erstmals zum niederländischen Rallyemeister. Der Hyundai-Pilot holte nicht nur die meisten Siege – drei Mal in sechs Läufen war er der bestplatzierte eingeschriebene Starter –, auch bei allen anderen Läufen fuhr van Deijne in die Punkte. Kein anderer Fahrer zeigte eine solche Konstanz. Sein härtester Titelkonkurrent kam aus Deutschland: Björn Satorius, der auf die Beifahrerinnen Hanna Ostlender und Jara Hain setzte, sammelte beim Saisonauftakt in Sulingen und bei der Hellendoorn-Rallye volle Punkte, doch nach drei Nullern musste sich der Ford-Pilot mit der Vizemeisterschaft begnügen. Weiteren deutschen Startern gelangen 2023 im niederländischen Championnat Topergebnisse: Dennis Rostek holte im Skoda mit Dennis Zenz und Nico Otterbach an seiner Seite bei drei Starts drei Podestplätze – genug für den vierten Tabellenrang. Gesamtfünfter und Zweiter der Junior-Wertung wurde der Hamburger Lukas Thiele, der sich einen Opel Corsa Rally4 mit Ann Felke teilte.

Österreich: Hattrick von Simon Wagner
6 Läufe mit 3 verschiedenen Siegern und 897 WP-Kilometern
Auch wenn die ORM am ersten Januar-Wochenende mit der Jänner-Rallye bereits ihren Saisonauftakt 2024 feierte, blicken wir noch einmal auf die Vorsaison zurück. Wie schon in den beiden Vorjahren bestimmten Simon Wagner und Hermann Neubauer auch 2023 das Geschehen. Doch anders als 2021 und 2022 fiel die Entscheidung diesmal erst beim Saisonfinale. Mit jeweils zwei Siegen reisten sowohl Wagner als auch Neubauer zur Bucklige-Welt-Rallye. Nur fünf Punkte trennten beide Titelprotagonisten vor dem sechsten und letzten Meisterschaftslauf. Auch diesmal lieferten sie sich ein spannendes Sekundenduell. Am Ende entschieden gerade mal 5,2 Sekunden den Titelkampf der Skoda-Fahrer: Wagner, der anders als Neubauer die neueste Fabia-Generation fuhr, holte vor dem Rivalen seinen dritten Saisonsieg und damit den Titel-Hattrick. Nur ein einziges Mal mussten sich Österreichs Topfahrer 2023 geschlagen geben: Beim traditionellen Saisonauftakt, der Jänner-Rallye, setzte sich WRC-Pilot Adrien Fourmaux im Ford Fiesta Rally2 durch.

Jan Kopecký siegte auch beim tschechischen Saisonhöhepunkt, der zur ERC zählenden Barum-Rallye (Foto: @World/Red Bull Content Pool)

Tschechien
7 Läufe mit 3 Siegern und
1093 WP-Kilometern
Er ist einfach nicht zu stoppen: Auch 2023 drückte der ehemalige Europameister Jan Kopecký der tschechischen Rallye-Meisterschaft seinen Stempel auf und holte sich zum  insgesamt zehnten Mal den Titel. Fünf Mal sammelte der Rekordchampion mit Co Jan Hlousek im Skoda Fabia RS Rally2 volle Punkte, zweimal wurde er Zweiter. Highlight war Kopeckýs Triumph bei der zur ERC zählenden Barum-Rallye. Es war nicht nur sein 17. Sieg in der Europameisterschaft, er sorgte auch für den vorzeitigen Titelgewinn in seinem Heimatland. Tabellenzweiter wurde Nachwuchsfahrer Dominik Stříteský vor Adam Březík. Beide starteten im Gegensatz zu Kopecký jedoch mit dem in die Jahre gekommenen Skoda Fabia R5. Die meisten Gesamtsiege holte sich das Duo Vaclav Pech/Petr Uhel, die insgesamt fünf Rallyes gewannen. Allerdings war ihr Ford Focus WRC reglementsbedingt nur für die Klassen- und nicht für die Gesamtwertung punkteberechtigt, weshalb Pech nicht um die tschechische Meisterschaft kämpfen konnte.

Text: Lars Krone